Hier findet man ungeordnete Zitate: Eine Seite einfach nur zum Schmökern über Carulli und seine Zeit.
aus : Alec Robertson, Denis Stevens: "Geschichte der Musik", München 1990 (Original: "The Pelican History of Music", England 1968):
"Frankreich ( 1800-1850): Während der französischen und russischen Revolutionsjahre waren die Theater überfüllt und der Geschmack der Bürger neigte zu dem opernhaften Prunk, den zuvor ihre Herrscher genossen hatten. Durch die Eroberungen und Plünderungen Napoleons wurde Paris reich, und Reisende aus England berichteten auch über neuen Wohlstand auf dem Land. Paris und nicht Wien war ein Mekka für Komponisten und Interpreten aus aller Herren Länder, sogar noch vor dem Sturz Napoleons, in dessen Regierungszeit die Vorbereitungen zum Bau des größten Opernhauses in Europa fallen. Ein nationales Genie vermochte er allerdings nicht aus dem Boden zu stampfen. Während der ersten Hälfte des Jahrhunderts hält man vergeblich nach einem großen französischen Musiker Ausschau - Berlioz ausgenommen -, der es mit den in Paris ansässig gewordenen Ausländern Spontini, Cherubini, Rossini, Meyerbeer, Liszt, Chopin und Wagner an Tatkraft hätte aufnehmen können. Um 1830 hatten neue Gebäude, Plätze und Gärten und vor allem die neue Gasbeleuchtung Paris zur >ville lumière< gemacht und die Lichterstadt sollte noch weiter verwandelt werden in das Paris der >Großen Weltausstellung< - diesmal durch die Boulevards von Haußmann, die neue Wasserversorgung und die immer noch berühmte Kanalisation! Für den Musiker bedeutet das Frankreich von 1800 bis 1850 >große< Oper, Berlioz und Chopin..."
The Quaterly Musical Magazine and Review Vol. VI., London 1824:
"Carulli's Lessons for the guitar are composed with a knowledge of the powers of the instrument, and judgment in their application.The guitar ceases to be agreeable when it is made wonderful, it should only be employed in chords and arpeggios, for it will hardly bear passages of any other construction. Mr. Carulli seems to have felt this, and has given as much variety and interest to his work as the narrow space to which he is confined would permit."
aus Fritz Buek "Die Gitarre und ihre Meister", Berlin 1926
"...Den Versuch, die Gitarre auch der Programmmusik nutzbar zu machen, kann man nicht als glücklich bezeichnen; hierin hat er (Carulli) entschieden die Grenzen des Instrumentes überschritten und ihm Dinge zugemutet, die nicht im Bereich der Ausdrucksmittel dieses Instrumentes liegen. Da er diese Grenzen in seinen anderen Kompositionen immer achtete, gelang es ihm auch, eine gute Musik zu schreiben, die stets die musikalischen Formen wahrte und die Eigentümlichkeiten der Gitarre zu verwerten verstand. Darum überdauerten seine Werke auch viele seiner Zeitgenossen und konnten von der modernen Gitarristik aufgenommen und verwertet werden. Eine Übersicht über die Werke Carullis zu geben, ist leider nicht möglich, da der größte Teil davon verschwunden ist. Wieviel sich in Privatsammlungen befindet, ist schwer nachzuweisen, da die Besitzer ihre Schätze hüten und nur selten wieder etwas an die Öffentlichkeit dringt. Außerdem sind sie bei verschiedenen Verlegern in verschiedenen Ländern erschienen, und zwar manche Werke unter verschiedener Opuszahl. Darum ist eine Zusammenstellung sehr erschwert. Jedenfalls gehört das, was uns noch zugänglich ist, zu dem besseren Teil der Gitarreliteratur und kann vor unserem fachmännischen Urteil noch bestehen...."
George Warren, Publizist
"Night after night, little by little, Carulli won my respect. If you loosen up a bit, and get in the spirit of things, he may just win yours."
Leif Christensen (1950-1988), Gitarrist
Auf die Interview-Frage von Colin Cooper ("Classical Guitar" Magazin), was er über die Stellung der Gegenwartsmusik für Gitarre denkt:
"The best comes up to Carulli, perhaps."
Len Verrett, Gitarrist
(Über Carullis "Folias of Spain, Variations, op. 75 Nr. 2") ".. There are several guitar licks such as pull-off's - as we must remember, first there was Carulli,
and THEN there was Van Halen much later..."
Trevor Maurice, Gitarrenlehrer
"When the great man died in 1841 he had achieved quite a degree of celebrity, especially in Paris. But more than this, he left us rich vein of music that is not only aesthetically pleasing, but instructive and pleasurable as well."
Reinbert Evers, Gitarrist
Frage: Wie schätzen Sie Carulli als Komponisten insgesamt ein und: Was bedeutet er Ihnen persönlich?
R.E.: "Der Mann war ja pfiffig. Wahrscheinlich hat Carulli das Problem, das er mit dem Schreiben von überzeugenden Durchführungen hatte, gefühlt, und dann ist er in dem e-moll-Konzert auf die geniale Idee gekommen, den langsamen Satz anstelle der Durchfuhrung einzusetzen! So hat er mit diesem Trick die Dreisätzigkeit quasi erfullt und eine Grundidee der Sonatenhauptsatzform auch noch. Aber das ist nicht Carulli alleine gewesen. Da gibt es ja so viele Modelle und Ausnahmen.
Die normale Sonatenhauptsatzform ist ja im Grunde mit ihren vielen Ausnahmen kaum mehr als ein „Konservatoriumsmodell“, das von den Methodikern und Musikologen im Nachhinein geriert worden ist und dann „Lehre“ wurde. In Carullis Zeit war ja trotzdem alles möglich. Und ich finde es jedenfalls besser, keine Durchführung zu schreiben als eine komplett leere Durchführung zu präsentieren, wo man nur ein paar Harmonien und darüber Arpeggien hingeknallt bekommt und sonst nichts passiert; die motivische Durchführung können wir uns dann im Kopf dazu denken; wie man am Beispiel etwa Sor im „Grand Solo“ oder der C-Dur-Sonate oder Giuliani in der „Grand Ouvertüre“ gut beobachten kann. Da finde ich, man kann sagen, dass der Mann offenbar gewusst hat, wie man solche Probleme lösen oder umgehen kann.
Was an Carulli oft fasziniert, ist die Unmittelbarkeit seiner Einfälle. Aber dann denke ich manchmal: Der Mann muss ein ernsthaftes Kommunikationsproblem gehabt haben. Er muss alles fünf oder sechs oder sieben Mal sagen, aber vielleicht war das auch irgendwie sein Stil. In dem berühmten Wettstreit der Pariser Gitarristen war er ja der große Simplifizierer, und dann gab es die andere Fraktion, die einen eher bürokratischen Stil hatte, und diese Parteien standen sich nicht sehr freundlich gegenüber. Aber der Kopfsatz vom e-moll-Konzert hat eine tolle Ausstrahlung, wie ich finde. Giulianis drei Konzerte sind insgesamt von anderem Niveau, aber man spürt hier doch auch manchmal Überforderung des Komponisten! Ansonsten habe ich keine besondere Beziehung zu Carulli. Die Idee, diese bekannten und veröffentlichten Konzerte des 19. Jahrhunderts einmal insgesamt aufzunehmen, brachte eben mit sich, dass ich auch die Gelegenheit hatte, Carulli besser kennenzulernen. Aber von den Klassikern steht mir Giuliani näher."
Andreas Grün, Gitarrist
"Die Qualität seiner Kompositionen lässt leider häufig zu wünschen übrig, die gelungenen Werke jedoch ragen aus der Masse der damaligen Gitarren-Kammermusik heraus und zeigen einen inspirierten Musiker, der den Vergleich mit berühmteren Italienern nicht zu scheuen braucht."
Heike Matthiesen, Gitarristin
"Ich liebe die Musik von Carulli, da gibt es so viel spannende Musik zu entdecken!!!...Und seine Kammermusik wird ja auch immer unterschätzt, ist aber eine Fundgrube!"
Marco "Capelli" Frucht, Liedermacher, Sänger, Künstler, Poet
"I believe that Fernando Carulli was the best writer of guitar music who ever lived. That's just my opinion. Many don't share this for somereason. I hope someday to be good enough for people to dislike me as much as people seem to dislike him. 'i.m.h.o.' Carulli was a true artist. Expressing himself. Simply, sweetly, you could say "sexily". I think some people just don't get it ...
He was a string teacher and pedagogue of the guitar. Check out his method some time. He challenges the pupil right up front.
His first lesson would be considered murder today...
Note how Carulli utilizes the thumb and first two fingers in an alternating pattern right from the start.
An easy one-string exercise? Nope, the student plays all six strings from day one. Is this cruel and brutal. Yes. It also puts the guitarist in the same
boat as the student violinist. The brain is forced to work to perform the lesson. What a concept. Aside from separating the players from the wannabes,
the student is forced to really think. Tone production on wound and unwound strings, left hand fingering (and my rule applies here: in open position,
the first finger plays all notes on the first fret, the second finger frets all notes on the second fret, the third finger third fret etc.)
An experienced player will tell you that this would have scared the poo out of 'em at a first lesson!
Carulli was wise. "
Thomas Schall, Lautenist und Gitarrist
"Das typische Repertoire der Gitarre waren Opernparaphrasen sowie Variationswerke. Später kamen Miniaturen und Werke in der klassischen Sonatenform hinzu.
Bekannteste Komponisten sind wohl Fernando Sor, Mauro Giuliani, Napoleon Coste und Johann Caspar Mertz, doch gab es hunderte, wenn nicht tausende anderer Komponisten, die ebenfalls gute Werke schrieben. Leider ist die Qualität der Kompositionen auch innerhalb des Werkes eines Komponisten nicht gleich.
So steht zum Beispiel Carulli im Ruf, bestenfalls mittelmäßige Musik komponiert zu haben, doch auch bei ihm finden sich einige Perlen, vor allem seine Duos und die Kammermusik sind teilweise bezaubernd."
Maximilian Mangold, Gitarrist
im Gespräch mit Jörg Jewanski ("Gitarre aktuell"):
J.J.:"In Carullis "Vollständiger Guitarren-Schule" liest man, dass bei Skalen die Basssaiten mit dem Wechsel aus Daumen und Zeigefinger und nur die drei Diskantsaiten abwechselnd mit Zeige- und Mittelfinger gespielt wurden."
M.M.:"Das Gleiche kann man auch in der Sor-Schule nachlesen. Für beide spielte wohl eine wichtige Rolle, dass sie für Läufe in Richtung der
Basssaiten die rechte Hand- und Armposition nicht verändern wollten. Das ist aber heute eine Selbstverständlichkeit; die Gitarrentechnik ist hier weiter
fortgeschritten und ich sehe keinen Grund, dies nicht einzusetzen. Interessanter finde ich den musikalischen Effekt des Wechsels von Daumen und Zeigefinger, eigentlich eine typische Lautentechnik, die eine ausgeprägte Schwer-Leicht-Artikulation zur Folge hat, und dafür würde ich diese Kombination auch einsetzen."
Graham Wade, Gitarrelehrer, Publizist
zu CARULLI, F.: Guitar and Piano Music, Vol. 1 (Franz and Debora Halasz), Naxos : "Von allen komponierenden Gitarristen des frühen 19. Jahrhunderts wie Sor, Giuliani und Aguado ist Ferdinando Carulli am meisten vernachlässigt worden. Obwohl er ein riesiges Oeuvre hinterließ, sah man in ihm vor allem den Pädagogen, nicht den Autor von Vortragsstücken... Was er als Komponist zum Gitarrenrepertoire beigetragen hat, verkannte man bis zum Erscheinen des thematischen Verzeichnisses, das der italienische Wissenschaftler Mario Torta 1993 vorlegte. Dieser bezeichnete den Komponisten, Virtuosen und erfolgreichen Lehrer als einen Mann, der „für die Zukunft des Instruments eine entscheidende Rolle gespielt hat [...] Seine besten Solostücke verraten eine Fülle von Erfindungen, und seine Kammermusik ist von großer instrumentaler Vielfalt und Kraft.” ...
Der Ruf des Komponisten Ferdinando Carulli wurde deutlich aufgewertet, als Julian Bream und John Williams vor gut dreißig Jahren eine Aufnahme seines Duos G-dur op. 34 und der Serenade A-dur op. 96 präsentierten. Bis dahin waren diese Serenade (die es in einer Aufnahme des Gitarrenduos Presti-Lagoya gab) sowie das Gitarrenkonzert op. 14 Carullis bekannteste Stücke gewesen."
Stephen Mattingly, Gitarrist
Doktorarbeit "FRANZ SCHUBERT’S CHAMBER MUSIC WITH GUITAR: A Study of the Guitar’s Role in Biedermeier Vienna", THE FLORIDA STATE UNIVERSITY COLLEGE OF MUSIC: " ... Virtually every nineteenth-century guitar method addressed to some extent the fundamentals of music theory. Carulli, however, is the only guitar pedagogue to write an entire volume on the subject of music theory and the guitar. In his L’Harmonie appliquée à la Guitare, Carulli explains the principles of harmony and how to extract accompaniments for the guitar using chords and their inversions. He relays this to an audience of amateur guitarists and states that chords and arpeggios are the only two reasonable means of creating an accompaniment on the guitar.
Carulli’s Complete Method (1810) was translated to German and published in Leipzig in 1829. Although this did not guarantee its availability in Vienna, it offers strong support for the hypothesis that guitar methods, like other cultural products, freely crossed the borders between France and Austria. Carulli enjoyed great success with this method. During his lifetime it was published in five editions in French, English, and German. One later publication was the Neue praktische Guitarre Schule which appeared at some point between 1810 and 1857. Upon preliminary study, it is apparent that the “new, practical”
aspect of this guitar school is that it is a reduced version of Carulli’s Complete Method. For the most part, longer exercises and pieces have been omitted while the text remains generally the same except for revisions that attempt to condense the text to charts or more succinct definitions. For this reason, the two texts will be addressed as one in this survey.
The preface introduces music fundaments and defines expressive markings, tempo indications, and dynamics in two pages.
Clearly, this overview is meant to be fleshed out by a teacher. In the first part, Carulli illustrates the physical description of the guitar with a chart plotting all the notes on the instrument. His system of tuning is the same as a method used today with adjacent strings compared in unison pitches. Some of the most salient features that compare to the Viennese publications are his instructions for holding the guitar and right hand fingering. Carulli advocates
the use of a footstool, something Molitor had not addressed. Similar to his predecessors Moretti and Molitor, he places the right hand little finger on the soundboard, uses the left hand thumb for notes on the sixth string and avoids using the ring finger except in arpeggios. Molitor avoids the latter issue altogether.
Carulli’s method continues with material in a pedagogical organization that likely influenced Giuliani. Scales in single notes, thirds, and octaves are written out in first position. The organizational system of this method follows a pattern set around the circle of fifths. Scales, exercises, and studies are introduced in major keys up to E major. Continuing with his consideration for commonly used keys on the guitar, Carulli applies the same format to the keys of F, A minor, D minor, and E minor. Arpeggio studies included in the method are introduced by a short tutor on “The Manner in which to Strike Chords” which shares the principles laid out in Molitor’s method where the thumb plays all notes on the bass strings while the fingers take notes on the treble strings..."
aus: Eduard Fack: "Materialien zu einer Geschichte der Guitarre und ihre Meister mit Abbildungen", Berlin 1884.
"... Carcassi, Matteo, berühmter italienischer Guit. Virtuos u. Componist für sein Instrument, der um 1792 geb. ist und den Ruf seines Names durch große
Kunstreisen befestigte. In Paris war er 1820 und behauptete sich daselbst glänzend neben Carulli der auf der Guitarre für unübertroffen galt. Von Paris aus besuchte er 1822-23 u. 26 auch London und 1824 und 27 Deutschland, wo man ihn allenthalben mit dem größten Beilfall aufnahm. Nach dieser Zeit lebte er lange Jahre in Italien, zuletzt jedoch in Paris als Lehrer seines Instruments woselbst er am 16 Januar 1853 starb.
... Carulli Ferdinando, einer berühmtesten Guit. Virtuosen der neueren Zeit und einer der besten Compo. für sein Instrument, wurde am 10 Februar
1770 zu Neapel geb.. Er widmete sich zuerst des Violoncellspiels, wandte aber, von Vorliebe dazu getrieben, bald allen Fleiß und Studium der Guit. zu,
was zur Folge hatte, das er ganz neue Effecte auf derselben hervorbrachte, die ihn zu fortgesetzten Untersuchungen und Nachforschungen trieben. Mit
einen bereits bedeutenden Namen kam 1818 nach Paris, ließ sich häufig in Concerten hören, ertheilte Unterricht, veröffentlichte zahlreiche Compositionen u. war lange Zeit der Liebling aller Salons. In behaglichen Lebensverhältnissen starb er 1841 zu Paris.
... Castellacci, Luigi, ein fleißiger auch sinnreicher Componist für sein Instrument, ohne jedoch die Gründlichkeit eines Call u. die Genialitat eines Carulli zu erreichen...
... Magnien Viktor, hervorragender französischer Violinst, Guitarrist und Componist, geb. am 19 Novemb. 1804 zu Epinal (Departement der Vogesen),
begann mit 10 Jahren Violine zu spielen u. kam 1817 nach Paris wo er bei Kreuzer Violine, u. bei Carulli Guitarrenspiel eifrich betrieb. Schon zwei Jahre später wurde er als Virtuose auf beiden Instrumenten allgemein in Paris bewundert..."